Zahl der Woche

Zahl der Woche: 5 Mrd. Euro für den Wohnungsbau bis 2021

Was die Wohnbauoffensive bisher bewirkt hat

Wohnraum ist ein menschliches Grundbedürfnis. Als Menschenrecht ist es festgeschrieben in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.  Aber der Wohnraum ist knapp und wird stetig knapper. Die auf dem Wohngipfel 2018 beschlossenen Maßnahmen einer Wohnraumoffensive der Bundesregierung sollen das Recht auf Wohnen auch in Zukunft sichern. Dazu sollen u.a. 1,5 Mio. neue Wohnungen und Eigenheime bis zum Ende der Legislaturperiode geschaffen werden, das heißt durchschnittlich 375.000 Wohnungen pro Jahr. Ob Luxus- oder Sozialwohnung, ob auf dem Land oder in der Stadt, mit knapp 600.000 neu gebauten Wohnungen in den letzten zwei Jahren liegt die Politik hinter ihren Zielvorgaben zurück. 2018 wurden in Deutschland nur 285.900 Wohnungen fertiggestellt. Das sind nur 0,4 % oder 1.100 Wohnungen mehr als im Jahr zuvor.

Sozialer Wohnungsbau im Fokus

Im Hinblick auf den sozialen Wohnungsbau sind die Ziele ebenso ambitioniert: 100.000 neue Sozialwohnungen sollen bis 2021 entstehen. Denn nur mit mehr bezahlbaren Wohnraum kann langfristig der Anstieg der Mietpreise ausgebremst werden.

Allerdings hat der Neubau in den letzten 20 Jahren nicht mit der Zuwanderung in die Metropolen und städtischen Ballungszentren Schritt gehalten. Berlin, Hamburg und München hatten über ein Prozent Zuwachs an Wohnbevölkerung in den letzten Jahren: Im Zeitraum vom 31.12.2011 bis 31.12.2017 hat Berlin jährlich 47.500 Einwohner (1,4% p.a.) hinzugewonnen, Hamburg 18.700 (1,1% p.a.), München 15.200 (1,1% p.a.). Die Folge: Aufgrund der hohen Nachfrage kommt es zu stark ansteigenden Preisen und damit einhergehend zu einem Mangel an bezahlbaren Wohnungen.

Wohnraumförderung: der Fünf-Milliarden-Boost

Neben dem Wohngeld, das Haushalte unter bestimmten Voraussetzungen beantragen können, ist der soziale Wohnungsbau eine weitere Säule der sozialstaatlichen Wohnpolitik. Mit insgesamt fünf Mrd. Euro hat die Regierung auf dem Wohngipfel 2018 beschlossen, die Wohnraumschaffung für Menschen mit geringem Einkommen zu unterstützen. In einigen Großstädten hat bereits jeder dritte Haushalt Anrecht auf eine Sozialwohnung.

Zum Jahreswechsel 2018/2019 galten in Deutschland rund 1,18 Mio. Sozialwohnungen als vermietet. Damit hat sich der Bestand in den letzten 15 Jahren halbiert. 1987 standen knapp vier Millionen Sozialwohnungen in den alten Bundesländern zur Verfügung und Ende der Neunziger Jahre hatte Gesamtdeutschland fast drei Millionen Sozialwohnungen im Bestand.

Trotz Förderung ist die Anzahl der staatlich bezuschussten Wohnungen gesunken. Denn Sozialwohnungen behalten ihren Status nur für 20 bis 30 Jahre. Dann fallen sie aus der Bindung und werden wieder „normal“ am Markt vermietet. Die Dauer der Bindung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Der Ausgleich des aus der Bindung fallenden Bestands läuft schleppend: 2018 sank er trotz des Entstehens von 27.040 neuen Wohnungen um weitere 42.500 Sozialwohnungen. Fazit: 3,5 Prozent Rückgang im Vergleich zum Vorjahr.

Hochrechnungen zufolge wären aber sogar 80.000 zusätzliche Sozialwohnungen im Jahr nötig, um den Bedarf zu decken. Ein Bündnis mehrerer Verbände fordert sogar zwei Millionen Sozialwohnungen bis 2030.

Welche Bundesländer bauen „sozial“?

Beim Sozialbau in den Ländern ist die Verteilung heterogen. In Mecklenburg-Vorpommern wurden letztes Jahr nur 68 neue Sozialwohnungen gefördert, in Sachsen-Anhalt 20 und im Saarland keine. Bayern und Nordrhein-Westfalen förderten hingegen jeweils über 6.000 neue Wohnungen, in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg waren es immerhin jeweils über 3.000. Der Grund für die großen Unterschiede liegt auf der Hand: Die Länder stehen seit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 eigenständig in der Pflicht, sozialen Wohnraum zu schaffen, mit Hilfe finanzieller Unterstützung des Bundes.

Mit dem Beschluss vom Wohngipfel 2018 stehen ihnen dafür fünf Mrd. Euro Bundesmittel zur Verfügung. Davon sind derzeit noch je eine Mrd. für 2020 und eine Mrd. für 2021 eingeplant. Die Mittel sind ab 2020 zweckgebunden. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn bereits in den Jahren 2013 und 2014 wurden etwa eine Mrd. Euro und in den Jahren 2015 und 2016 sogar 1,5 Mrd. Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Das Geld war damals nicht zweckgebunden und konnte von den Ländern in andere Projekte gesteckt werden wie z. B. den Straßenbau oder die Modernisierung von Bestandsbauten.

Deutscher Mieterbund fordert mehr Geld

Die Summe von einer Mrd. im Jahr wird dennoch nicht reichen. Laut dem Deutschen Mieterbund (DMB) müssten mindestens 6,5 Mrd. Euro jährlich bereitstehen. Damit könnte man einen Ausbau um zwei Millionen Sozialwohnungen bis 2030 erzielen. Um den früheren Stand an Sozialwohnungen zu erreichen, müsste man sogar noch weitaus mehr fördern.

Wie machen´s die Nachbarn?

Im sozialen Wohnungsbau hinken wir anderen Ländern hinterher. Ein Beispiel ist Österreich. Besonders Wien wird häufig als Vorbild für den sozialen Wohnungsbau genannt. Mit 1,9 Millionen Einwohnern ist Wien hinter Berlin die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum. Trotz ihrer hohen Einwohnerzahl verfügt die Stadt über einen funktionierenden Mietmarkt. Wieso? Über die städtische Gesellschaft „Wiener Wohnen“ verwaltet die Stadt Wien 220.000 Wohnungen und ist damit Europas größter Immobilienverwalter. Statt ihre Bestände – wie viele deutsche Städte in den neunziger Jahren – zu verkaufen, wurde gebaut. Mieter des Wiener Modells haben nicht mit schmerzhaften Preiserhöhungen oder Kündigungen zu kämpfen. Die Wohnzufriedenheit ist hoch.

Beim Neubau gibt es in Wien strenge Regeln: So darf nur noch ein Drittel der Wohnfläche ungebunden verwendet werden. Zwei Drittel der Fläche sind dem sozialen Wohnbau mit einer maximalen Nettomiete von 5 Euro pro Quadratmeter vorbehalten. Wäre das auch eine Lösung für Deutschland? Natürlich hagelt es Kritik an solchen Modellen, denn diese können auch dazu führen, dass Investoren das Interesse an Neubauprojekten verlieren. Genf ist mit seinem Mietendeckel ein Negativbeispiel in dieser Hinsicht.

Fakt ist: Viele Menschen können die enormen Mieten in Metropolen nicht mehr zahlen. Schuld sind auch die deutschen Städte, die ihre Sozialwohnungen in den achtziger und neunziger Jahren unter der Privatisierungsägide verkauft haben. Nun kaufen sie zurück: Das Land Berlin macht es vor: 6.000 frühere Sozialwohnungen kauft die kommunale Gesellschaft Gewobag von Ado Properties, einem luxemburgischen Unternehmen, zurück.

Um den steigenden Bedarf zu decken wird das aber auch nicht reichen. Die Lösung kann nur heißen: Schaffung von neuem Wohnraum – es muss gebaut werden.