Gastkommentar

Gastkommentar: Schickt den Schottergarten in die Steinwüste

Ein Plädoyer für mehr Natur in unseren Gärten.

Schottergärten liegen voll im Trend – und das obwohl sie ökologisch wertlos und aufwändig in der Pflege sind. Ein Plädoyer für mehr Natur in unseren Gärten.

Vor fünf Jahren entschlossen wir uns dazu, ein Haus zu bauen. Im ersten Schritt begannen wir uns in unterschiedlichen Neubaugebieten umzuschauen, stets auf der Suche nach Inspiration für Haus und Garten. Schon damals fiel uns auf, dass viele Vorgärten nur noch aus Steinwüsten bestanden. Hier und da ragte mal ein kleiner Baum oder Strauch aus dem Meer aus Steinen, aber auch nur deshalb, weil der Bebauungsplan die Bauherren dazu verpflichtete.

Zugegeben: Auf den ersten Blick wirkt so ein neuangelegter Schottergarten sehr aufgeräumt. Hier und da werden mit kontrastierenden Farben Akzente gesetzt. Dazu noch ein paar Zierpflanzen. Fertig. Dass Letztere meist so ökologisch wertlos sind, wie die Steine selbst, sei mal dahingestellt.

Als es bei uns an die Gestaltung der Außenanlagen ging, haben wir uns bewusst für einen insektenfreundlichen Garten entschieden, in dem so viel Fläche wie möglich für Pflanzen zur Verfügung steht – vor allem auch deshalb, weil uns die Grau-in-Grau-Optik der meisten Schottergärten ohnehin nie gefallen hat. Leider sahen das viele Bauherren anders – und inzwischen haben die tristen Steinwüsten in Vorgärten dermaßen überhand genommen, dass Länder wie Baden-Württemberg sie jüngst per Gesetz verboten haben. Sogar bereits existierende Schottergärten müssen beseitigt oder umgestaltet werden.

Schottergärten sind ein ökologischer Alptraum

Kritiker des Verbots von Schottergärten sprechen nun von einer „Ökodiktatur“. Sie sehen sich in ihrer individuellen Freiheit beschränkt – und das völlig grundlos.

Grundlos? Naja… Wenn man sich etwas mit der Thematik auseinandersetzt, stellt man schnell fest, dass man gar kein radikaler Umweltschützer sein muss, um die Problematik von Schottergärten zu verstehen. Tatsächlich sind viele echte Wüsten lebendiger, als die Steinwüsten in unseren Vorgärten. Egal, ob Bienen, Schmetterlinge oder Vögel – keines dieser für Mensch und Umwelt wichtigen Lebewesen findet zwischen tausenden von Steinen Nahrung, Zuflucht oder gar einen geeigneten Ort um sich zu vermehren. Aus ökologischer Sicht hätte man die Fläche auch gleich zubetonieren können.

Dieser Vergleich ist übrigens gar nicht so weit hergeholt, denn bei Starkregen kann das Wasser im durch die Steine verdichteten Boden nicht abfließen und landet in Kellern oder der ohnehin schon überlasteten Kanalisation. Aus diesem Grund stufen einige Kommunen Schottergärten bereits heute als teil- oder vollversiegelte Flächen ein.

Und im Sommer? Bei Hitze sorgen die Schottergärten dafür, dass die Temperaturen rund ums Haus tagsüber deutlich ansteigen. In dieser „Vorgarten-Sauna“ hat kaum eine Pflanze die Chance zu überleben, selbst bei ausreichender Bewässerung. Nachts hingegen verhindern die Steine jede Form von Abkühlung, da sie dann die tagsüber aufgenommene Wärme an die Umgebung abgeben.

Schottergärten sind schlechter als ihr Ruf

Ich bin mir sicher, dass es Menschen gibt, die von den genannten Argumenten nicht überzeugt sind. Die augenscheinlichen Vorteile von Schottergärten, beispielsweise dass diese pflegeleicht sind und kostengünstig angelegt werden können, überwiegen. Zumindest höre ich diese Argumente immer wieder in Gesprächen mit anderen Bauherren.

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Woher diese Mythen kommen, wird sich wohl nie abschließend klären lassen. Fakt ist allerdings, dass die Anlage eines Schottergartens keineswegs kostengünstig ist. Im Gegenteil. Während ein „grüner“ Vorgarten nur etwas gute Erde, ein paar Bodendecker, Blumen und Sträucher braucht, schlagen bei einem Schottergarten mit 15 Quadratmetern Fläche allein Kies und Steine mit 500 bis 3.000 Euro zu Buche. In den meisten dieser dekorativen Steinwüsten werden dann auch noch Formgehölze gepflanzt, die ohne weiteres mehrere hundert Euro kosten können. Pro Stück.

Wer nun denkt, dass es damit getan ist, der irrt – oder hat noch nie einen Schottergarten gesehen, in dem zwei bis drei Jahre lang nichts gemacht wurde: Die aufwändig drapierten Steine sind mit Moos überzogen. Kaum eine Stelle ist nicht von Unkraut befallen. Ja, so ein Schottergarten braucht viel Pflege. Dazu zählt unter anderem das regelmäßige Entfernen von Unkraut (manuell oder mit Pestiziden) und Blättern. Alle drei bis zehn Jahre muss alles abgetragen und der Kies gewaschen werden. Bei der Gelegenheit wird in der Regel auch das Vlies erneuert.

Nichts spricht für einen Schottergarten

Egal, wie man es dreht und wendet, objektiv betrachtet, spricht wenig bis gar nichts für einen Vorgarten im Steinwüsten-Look. Einerseits haben die Schottergärten eine katastrophale Ökobilanz. Andererseits stellt sich diese Form der Gartengestaltung bei genauerer Betrachtung auch noch als teuer in der Anschaffung und aufwendig in der Pflege heraus. Positive Aspekte sucht man hingegen vergebens.

Warum diese Fakten von so vielen Bauherren ignoriert werden, bleibt wohl ein Rätsel. Selbst großangelegte Kampagnen von Umweltorganisationen und Gemeinden haben den Trend bislang nicht umkehren können. Und genau deshalb ist jetzt die Politik gefragt. Das Verbot in Baden-Württemberg ist erst der Anfang. Weitere Kommunen und Länder werden folgen. Der ein oder andere mag darin sicherlich eine Bevormundung sehen, aber von Zeit zu Zeit muss der Staat regulierend eingreifen, wenn das individuelle Verantwortungsgefühl für Mensch und Umwelt versagt.