Leitartikel

Ein Jahr Berliner Mietendeckel

Datenanalyse zu den Auswirkungen des Gesetzes.

Am 23. Februar letzten Jahres trat der Mietendeckel für Berlin in Kraft. Zu seinem einjährigen Bestehen hat ImmoScout24 analysiert, wie sich die gesetzliche Regelung auf den Immobilienmarkt ausgewirkt hat.

Die Angebotsmieten sind um 7,8 Prozent gesunken
Die Mieten neu angebotener Bestandswohnungen, die vor 2014 fertig gestellt wurden und damit vom Mietendeckel erfasst werden, sind von 10,46 Euro pro Quadratmeter im Januar 2020 auf 9,64 Euro im Januar 2021 gesunken. Damit sank das Mietpreisniveau um 7,8 Prozent.

Berliner Mietendeckel führt zu sinkenden Mieten in einzelnen Stadteilen
In Haselhort sanken die Mieten für Mietendeckel-relevante Bestandwohnungen am stärksten. Von durchschnittlich 8,75 Euro pro Quadratmeter auf 6,41 Euro pro Quadratmeter (Januar 2020 zu Januar 2021) redutzierten sich die Miethöhen auf ImmoScout24 um 27 Prozent.

In Lankwitz und Tegel boten Anbieter:innen ihre Bestandswohnungen um jeweils 19 Prozent und in Alt-Hohenschönhausen um 18 Prozent günstiger an als im letzten Jahr. Auch im teuersten Stadtteil Mitte sanken die Angebotsmieten um 15 Prozent.

Steigende Mieten trotz Mietendeckel in Tempelhof und Weißensee
In einigen Stadtteilen ist das Niveau der Angebotsmieten im vergangenen Jahr sogar gestiegen. In Tempelhof um 11 Prozent, in Weißensee um rund 9 Prozent, in Wilmersdorf um etwa 3 Prozent und in Siemensstadt um rund 2 Prozent.

In Berlin verringerte sich das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen weiter– in anderen Metropolstädten erhöhte es sich
In Berlin hat sich das Angebot an inserierten Mietwohnungen auf ImmoScout24 im letzten Jahr um 19 Prozent reduziert (von Januar 2020 zu Januar 2021). Im Mietendeckel-relevanten Segment ging das Angebot mit 30 Prozent im selben Zeitraum sogar noch deutlicher zurück. Dabei wurden nur die neu inserierten Mietwohnungen betrachtet.

In anderen Metropolstädten hat sich das Angebot im gleichen Zeitraum deutlich erhöht: Stuttgart +66%, Frankfurt +38%, München +35%, Düsseldorf +25%, Köln +11%. Nur in Hamburg sank das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen hingegen leicht um 0,4 Prozent. Von Dezember 2020 zu 2021 stieg das Angebot allerdings noch um 10,5 Prozent.

Wohnungssuche ist schwerer denn je: Auf ein Objekt kommen eine Vielzahl an Interessenten
Es kommen immer mehr Suchende auf eine Mietendeckel-relevante Wohnung. Innerhalb eines Jahres stieg die Anzahl der Interessenten pro Objekt von durchschnittlich 128 im Januar 2020 auf 214 im Januar 2021. Damit erhöhte sich das Kontaktaufkommen pro Inserat um 67 Prozent. Auch in absoluten Werten ist die Nachfrage in Form von Kontaktanfragen innerhalb dieses Zeitraums um 17 Prozent angestiegen.

Durchschnittlich 417 Bewerber:innen kämpfen in Britz um eine Wohnung. Doch auch im Wedding kommen im Durchschnitt 407 Anfragen auf eine neu angebotene Bestandswohnung, in Lankwitz sind es 386, in Neukölln 379 und in Kreuzberg 321.

In der Rangliste folgen Tiergarten mit durchschnittlich 282 Bewerber:innen, Tempelhof mit 280 und Siemensstadt mit 273 Suchenden pro inserierter Bestands-Mietwohnung, die unter den Mietendeckel fällt.

„Auf dem Papier können sich durch die Mietreduzierung tendenziell Menschen mit geringerem Einkommen wieder eher eine Wohnung in begehrten Lagen leisten, als dies vor dem Mietendeckel der Fall war. Aber die reale Nachfragesituation in Berlin ist weiterhin dramatisch. Die anhaltend hohe Zahl der Immobiliensuchenden konkurriert um ein deutlich reduziertes Angebot“, sagt Dr. Thomas Schroeter.

Kaufmarkt boomt
Während sich das Angebot von Mietwohnungen in der Hauptstadt deutlich reduziert hat, ist das Angebot von Eigentumswohnungen auf ImmoScout24 von Januar 2020 bis Januar 2021 um 19 Prozent angestiegen.

Rechtsunsicherheit: Ein kleiner Teil der Vermieter:innen versucht, den Mietendeckel zu umgehen
Innerhalb eines Jahres wurden in den Mietendeckel-relevanten Inseraten deutlich häufiger Wörter wie Abschlag und Nutzungsentgelt genannt. Doch die Datenanalyse zeigt auch, dass dies nur für 3,1 Prozent der Inserate der Fall ist. Ein kleiner Teil der Vermieter:innen versucht offensichtlich auf diese Weise, den Mietendeckel zu umgehen.

„Der Mietendeckel hat zu einer großen Rechtsunsicherheit für Vermieter:innen und Mieter:innen geführt und belastet deren Verhältnis.​ Darüber hinaus stellen Vermieter:innen als Folge des Mietendeckels Gebäudeinvestitionen zurück, um Kosten durch entgangene Mieteinnahmen zu reduzieren. Das verschlechtert auf Dauer den Berliner Wohnungsbestand und belastet Fortschritte in der energetischen Nachhaltigkeit. Berlin braucht daher dringend Rechtssicherheit durch bald erwartete Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts“, sagt Dr. Thomas Schroeter.