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Droht eine Inflationsspirale im Bausektor?

Das sind die Kostentreiber

Milch, Butter, Fleisch: Jeder Einkauf im Supermarkt führt uns die Auswirkungen der Inflation vor Augen. Lag der Anstieg der Verbraucherpreise im Mai 2021 noch bei 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, waren es im Mai 2022 bereits 7,9 Prozent. Doch nicht nur Lebensmittel sind teurer geworden, sondern auch Rohstoffe, Energie und Bauprodukte. Es stellt sich daher die Frage, wie sich die Inflation auf den Bau- und Wohnungssektor auswirkt. Wir haben uns die Kostentreiber angeschaut. 

Baupreise sind angestiegen

Wer heute ein Bauprojekt plant, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Allein im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes die Baupreise in Deutschland um sechs Prozent gestiegen - vor allem wegen der gestiegenen Materialpreise. So haben sich die Preise für Bauholz verdoppelt. Kunst- und Dämmstoffe sind bis zu 40 Prozent teurer geworden, Stahl etwa 70 Prozent, so der Verband. Der primäre Grund sind Lieferengpässe infolge der Corona-Pandemie. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Verteuerung nochmals verstärkt, insbesondere durch die drastisch gestiegenen Energiekosten. 

Starker Zinsanstieg

Hinzu kommt das Ende der Niedrigzinsen: Lagen die Baufinanzierungszinsen lange Zeit noch bei unter einem Prozent, sind sie seit Anfang 2022 im Schnitt um 1,5 Prozentpunkte angestiegen. Legt man ein durchschnittliches Finanzierungsmodell zugrunde, haben sich die monatlichen Raten bereits um 30 Prozent verteuert - sollten die Zinsen auf drei Prozent ansteigen, wären es 100 Prozent. Da die Erhöhung des Leitzinses ein klassisches Instrument der Inflationsbekämpfung ist, könnte hier eine "Inflationsspirale" entstehen und die Finanzierungskosten weiter nach oben treiben. Wer hingegen einen Kredit mit langer Laufzeit während der Niedrigzinsphase aufgenommen hatte, profitiert sogar. Der Wert seiner Schulden sinkt. 

So entwickeln sich die Mieten

Auch bei den Mieten ist die Inflation deutlich sichtbar. Das „ImmoScout24 WohnBarometer“ zeigt, dass im zweiten Quartal 2022 die Angebotspreise für Mietwohnungen deutschlandweit deutlich stärker angestiegen sind als in den vorangegangenen Quartalen. Bestandswohnungen wurden in der Neuvermietung durchschnittlich 2,7 Prozent teurer als im Vorquartal angeboten. Am deutlichsten war der Anstieg in Hamburg. Hier zogen die Nettokaltmieten im zweiten Quartal 2022 um 5,0 Prozent an. Auch wenn einzelne Vermieter:innen bereits Mieterhöhungen aufgrund der Inflation angekündigt haben, ist dies nur in engen Grenzen und innerhalb des geltenden Mietspiegels möglich. Eine rechtliche Basis für eine inflationsbegründete Mieterhöhung gibt es nicht. Eine Ausnahme bilden die Indexmieten, die an die allgemeine Preisentwicklung gekoppelt sind.  

Starker Anstieg der Mietnebenkosten

Mieter:innen müssen sich aber in jedem Fall auf eine höhere finanzielle Belastung einstellen. Wir alle fürchten uns vor dem Tag, an dem wir die Nebenkostenabrechnung aus dem Briefkasten ziehen. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass Verbraucher:innen im Januar 2022 rund 20,5 Prozent mehr für Energie zahlen mussten als ein Jahr zuvor. Besonders kräftig zogen im Jahresvergleich die Preise für Heizöl (plus 51,9 Prozent) und Erdgas (plus 32,2 Prozent) an. Noch stärker wird die Belastung im Jahr 2023 sein, wenn die Nebenkosten für 2022 abgerechnet werden. 

Entspannung auf dem Immobilienmarkt

Die Inflation hat aber auch zur Folge, dass in einzelnen Segmenten die Preise stagnieren oder sogar etwas sinken – etwa auf dem Immobilienmarkt. Der Grund ist eine zurückgehende Nachfrage nach Kaufimmobilien, unter anderem wegen des hohen Zinsniveaus. Sie ist etwa bei Immoscout um 36 Prozent zurückgegangen, das inserierte Angebot ist hingegen um 46 Prozent gestiegen. In vielen Metropolen stagnieren daher die Immobilienpreise, nur in Berlin, Düsseldorf und Köln ist noch ein deutlicher Anstieg zu beobachten.  

Baupolitische Ziele der Bundesregierung in Gefahr?

Um den Wohnungsmarkt zu entspannen, setzt die Bundesregierung auf verstärkten Neubau. Nicht weniger als 400.000 Wohnungen sollen jährlich neu entstehen, darunter 100.000 öffentlich geförderte. Angesichts des Preisanstiegs im Bausektor, hauptsächlich durch die explodierenden Material- und Energiepreise, aber auch die Verteuerung der Baufinanzierung, ist die Forderung nach erhöhten Fördersummen des Bundes naheliegend. Allerdings könnte dies – wie jede Subvention - die Inflation weiter anheizen. Der erhoffte Effekt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wäre schnell zunichte gemacht.