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Digitalisierung am Bau

Ein Großprojekt der Ampel

Jedes Jahr sollen 400.000 neue Wohnungen entstehen - so steht es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Doch wie? Und vor allem: Zu welchen Kosten? Fest steht: Bauen wird immer teurer. Erst im Januar teilte das Statistische Bundesamt mit, dass die Baupreise im November 2021 um 14,4 Prozent gegenüber November 2020 gestiegen sind. Dies sei der höchste Anstieg der Baupreise gegenüber einem Vorjahr seit August 1970, so die Statistik.[1]

Gestiegene Materialkosten - Digitalisierung soll helfen

Ein Grund dafür sind zweifellos die gestiegenen Materialpreise. Damit die Baukosten aber im Ganzen sinken, setzt die Ampel unter anderem auf Digitalisierung. Das Potential moderner Informationstechnologien ist bei weitem nicht ausgeschöpft, weder auf der Baustelle noch bei den Antrags- und Genehmigungsverfahren. Man wolle daher „die Bau- und Immobilienwirtschaft sowie alle Ebenen der Verwaltung unterstützen, die Digitalisierung zu meistern, Open-BIM (Building Information Modeling) und einheitliche Schnittstellen/Standards umzusetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag[2]. Das bedeutet, den gesamten Bauprozess digital abzubilden, zu gestalten und zu steuern.

Digitalisierung beginnt bereits beim Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das Online-Zugangsgesetz (OZG) aus dem Jahr 2017 schreibt vor, dass ab 2023 Bund und Länder Verwaltungsverfahren digital bearbeiten und die entsprechenden Anträge dann über das Internet gestellt werden können. Die Zeit bis zur Genehmigung eines Bauantrags könnte sich dadurch um ein Viertel verkürzen, so der Normenkontrollrat der Bundesregierung.

Fehlende Einheitlichkeit im Verwaltungsprozess

Doch der Weg dorthin ist noch weit. In einzelnen Städten und Kommunen ist es zwar bereits möglich, digital auf die Grundbücher zuzugreifen. Auch können im Rahmen von lokalen Pilotprojekten Bauanträge digital eingereicht werden. Haben Bauämter den Bauantrag aber digital angenommen, müssen auch alle nachgelagerten Verwaltungsprozesse digitalisiert sein und alle beteiligten Behörden auf das Verfahren zugreifen können. Hier gibt es bislang allenfalls regionale Insellösungen, flächendeckend fehlen dafür die einheitlichen Schnittstellen für eine Verzahnung aller notwendigen Verwaltungsabläufe. Die Aufgabe ist gewaltig, denn häufig nutzt jedes Amt eigene Softwarelösungen, die untereinander nicht kompatibel sind. Auch müssen auf Länderebene zahlreiche Gesetze geändert werden, da häufig die Papierform noch zwingend vorgeschrieben ist.

Digitale Transformation der Baustelle

Ein konsequent digitales Antrags- und Genehmigungsverfahren setzt sich danach auf der Baustelle fort: Durch BIM (Building Information Modeling) werden alle Informationen und Daten eines Bauwerks auf der Grundlage digitaler Modelle erfasst und verarbeitet. Dadurch können sämtliche Akteure eines Bauprojekts nachhaltig und ohne Informationsverluste zusammenarbeiten. Dazu kommen weitere digitale Technologien, wie der Einsatz von „Augmented Reality“-Brillen. Mit ihrer Hilfe können Bauplaner und Bauarbeiter z.B. direkt vor Ort sehen, was sich hinter bereits verputzten Decken, Wänden und Böden befindet und ob Bauelemente an der richtigen Stelle angebracht sind. Auch der 3D-Druck ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass Bauteile vor Ort - bis hin zu ganzen Gebäuden - direkt auf Basis digitaler Informationen und Baupläne produziert werden können.

Doch auch wenn es schon einzelne Leuchtturmprojekte gibt, müssen auch hier noch viele Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Die digitale Transformation der Baustelle muss gefördert und begleitet werden, es fehlen entsprechend ausgebildete Fachkräfte und bei vielen Akteuren die notwendigen finanziellen und technischen Ressourcen. Zudem müssen die technischen Standards für die Kompatibilität unterschiedlicher Softwarelösungen erst noch geschaffen werden. Auch Fragen der IT-Sicherheit sind noch nicht geklärt, die Risiken von Datenmissbrauch und Cyberkriminalität sind nicht zu unterschätzen.

Ohne Frage: Ein durchgehend digitalisierter Bauprozess könnte Kosten, Zeit und Ressourcen sparen und wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Wohnraum. Die große Koalition hat bereits in der letzten Legislaturperiode wichtige Weichen gestellt, wie etwa die Errichtung von „BIM Deutschland“, einer Plattform für die Digitalisierung des Bauwesens[3]. Die neue Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, wie rasch sie die digitale Transformation am Bau umsetzt – nicht zuletzt, um ihre Ziele beim Wohnungsneubau zu erfüllen.

[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_010_61261.html
[2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
[3] https://www.bimdeutschland.de