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Baupolitik im Zeichen der Zeitenwende

Gestiegene Kosten und knappe Materialien ziehen weitreichende Konsequenzen nach sich.

Das politische Berlin steht ganz unter dem Eindruck einer „Zeitenwende“. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine konzentriert sich die Bundesregierung vorrangig auf die Krisenbewältigung. In der Bau- und Wohnungspolitik hat die Ampelkoalition in ihren ersten 100 Tagen gleichwohl bereits einiges auf den Weg gebracht. 

Sozialer Wohnungsbau und soziale Eigenheimförderung

Am 13.01.2022 - genau sechs Wochen vor Ausbruch des Krieges - stellte die damals frischgekürte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vor dem Deutschen Bundestag ihre Agenda vor. Der Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen, davon 100.000 sozial gefördert, habe oberste Priorität. „Wohnen ist Menschenrecht“, so die Sozialdemokratin, die Rolf Bösinger (ehemals Bundesfinanzministerium) zum beamteten sowie Cansel Kiziltepe und Sören Bartol (beide SPD) zu ihren parlamentarischen Staatssekretär:innen berufen hat. Im Mittelpunkt ihrer Rede stand der Beitrag der Baupolitik zum Klimaschutz - gleichzeitig kündigte sie das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ an. 

Einmaliger Heizkostenzuschuss

Der Krieg zwang das neue Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) – das erste eigenständige Bauministerium seit 1998 - aber zunächst zum Handeln an anderer Stelle. Im Lichte der massiv gestiegenen Energiepreise verabschiedeten Bundestag (17.03.) und Bundesrat (08.04.) auf Antrag der Ampelfraktionen das „Gesetz zur Gewährung eines einmaligen Heizkostenzuschusses“. Demnach bekommt jeder Ein-Personen-Haushalt im Wohngeldbezug einmalig einen Zuschuss von 270 Euro, ein Zwei-Personenhaushalt 350 Euro und jedes weitere Familienmitglied 70 Euro. Studierende und Auszubildende, die staatliche Hilfen erhalten, haben Anspruch auf einmalig 230 Euro.  

Stufenmodell zur Verteilung der CO2-Kosten

Zudem vereinbarte Ministerin Geywitz mit ihren Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne) und Marco Buschmann (FDP) ein Stufenmodell zur Verteilung der CO2-Kosten zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen. Demnach soll ab 01.01.2023 in zehn Stufen der Anteil der Vermieter:innen an den CO2-Kosten proportional zum CO2-Ausstoß eines Gebäudes steigen. Nur bei hocheffizienten Gebäuden mit dem Energiestandard EH55 sollen die Mieter:innen die vollen CO2-Kosten tragen. Damit soll ein Anreiz sowohl zur Modernisierung als auch zum Energiesparen geschaffen werden, so die Bundesregierung. Bei einigen Immobilienverbänden stieß dieser Ansatz auf heftige Kritik. Der Vorschlag muss nun zunächst vom Bundeskabinett verabschiedet und anschließend in Bundestag und Bundesrat beraten werden. 

Erste Ergebnisse im Herbst 2022 

Derweil fand am 27.04. unter dem Dach des BMWBS der Auftakt zum „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ statt. Neben Vertreter:innen der Länder brachten sich auch die kommunalen Spitzenverbände, Verbände der Wohnungs- und Bauwirtschaft sowie Organisationen der Zivilgesellschaft in die Diskussion ein. In der Abschlusserklärung einigte man sich zunächst auf die Ziele sowie einen Arbeitsplan. Die jährlich 400.000 Wohnungen sollen durch Nachverdichtung insbesondere in den Ballungsräumen sowie eine „Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“ entstehen. Zudem soll der Klimaschutz im Gebäudesektor ein gleichrangiges Ziel in der Wohnungspolitik werden. Erste Ergebnisse des Bündnisses wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Herbst 2022 vorstellen. 

Offen ist, wie sich die massiv gestiegenen Rohstoffpreise auf die Bautätigkeit auswirken werden. Die Materialengpässe, die bereits durch die Corona-Pandemie eintraten, sind massiv und treiben die Kosten immer weiter in die Höhe. Spätestens 2023 könnte es zu einem Einbruch bei der Fertigstellung von Neubauten kommen, sorgt sich Hans Maier, Direktor des Verbandes der bayerischen Wohnungswirtschaft (vdw). Ein „Selbstläufer“ wird die Realisierung der ambitionierten Pläne der Ampelregierung im Baubereich somit definitiv nicht. .